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An einem Sonntag im Januar

© by Ewa

Es war ihr Geburtstag. Sie lag in ihrem Bett, das Kopfteil war hochgestellt, sie hustete – das Atmen fiel ihr schwer. 22 Jahre alt, man würde sich einen besseren, feierlicheren Ort, ein besseres, feierlicheres Gefühl wünschen. Ohne Feng Shui zu kennen lag sie immerhin genau richtig, mit den Füßen Richtung Fenster, aus dem sie gerade hinausblickte. Viele Jahre später würde sie sich nicht mehr an ihr Innerstes erinnern, sie wusste aber noch genau, was damals im Außen geschah.

Es klingelte mehrmals. Sie hörte Stimmen im Flur. Ihr Vater trat in ihr Zimmer und sagte, dass Besuch für sie da sei – ein junger Mann. Nein, bitte nicht, ich bin krank, ich sehe aus wie ausgekotzt, bitte nicht. Ihr Vater ging zurück in den Flur. Es wurde laut und plötzlich wurde die Tür zu ihrem Zimmer aufgerissen und der junge Mann stürmte herein. Sie konnte ihn erst nicht richtig erkennen, sein großer Blumenstrauß mit 22 Baccara-Rosen verdeckte alles. Blass, übermüdet, mit Koks und Alkohol im Blut gratulierte er ihr stürmisch zum Geburtstag. Vielleicht spielte sich das nur in ihrem Kopf ab, aber sie glaubte gesagt zu haben, dass es ihr nicht gut gehe, sie krank sei, sie wolle niemanden sehen. Ach, egal, ich möchte dir nur kurz die Rosen überreichen. Alles Gute zu deinem Geburtstag. Er küsste sie. Dann ging er wieder. Sie fragte sich, ob sie noch die Zeit gehabt hatte, ihre Perücke aufzuziehen, hatte sie überhaupt die Zähne geputzt, was hatte sie an? So, wie er drauf war, hatte er hoffentlich nichts wahrgenommen.

Ihr Vater kam wieder ins Zimmer. Warum hast du ihn denn reingelassen? Ich wollte niemanden sehen. Er ließ sich nicht aufhalten, er wollte unbedingt zu dir. Sie bestaunte die Baccara-Rosen und schaute aus dem Fenster.

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